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Das größte Unterwasserrestaurant der Welt bietet mehr als nur Seafood

2. April, 2020
VON The Explorer
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Ivar Kvaal

Exklusives Restaurant, Forschungsstation und Beschützer des lokalen Ökosystems: Fünf Meter unter der Meeresoberfläche liegt das Under, Norwegens neues maritimes Wunder.

Vergessen Sie trendige Wolkenkratzerrestaurants – die außergewöhnlichste Location, die Europa gegenwärtig zu bieten hat, ist ein halb im Meer versunkenes Restaurant an der Südspitze Norwegens. Im März vergangenen Jahres wurde in Lindesnes das Restaurant Under eröffnet. Das Gebäude ist zur Hälfte ins Meer gebaut und reicht bis fünf Meter unter die Wasseroberfläche. „Under“ bedeutet im Norwegischen übrigens sowohl „Unter“ als auch „Wunder“. Und ein kleines Wunder ist dieser Bau tatsächlich.

Durch ein elf Meter breites Fenster bietet das Under seinen Gästen einen Panoramablick auf eines der seltensten Meeresökosysteme der Welt. Algen und Plankton tanzen wild, während Seetang mit den Wellen schwankt und eine Vielzahl von Fischen, Quallen und Schalentieren nur wenige Meter von den Tischen der Gäste entfernt vorbeischwimmen. Und was sich draußen vor dem Fenster bewegt, kann man drinnen verspeisen – selbstverständlich erstklassig zubereitet vom dänischen Spitzenkoch Nicolai Ellitsgaard.

Ist dies eine Spielerei, um Gäste anzulocken, die in einem hart umkämpften Markt nach immer exotischeren Gourmet-Erlebnissen suchen? Das könnte man meinen, wäre da nicht der Anspruch der Betreiber und der Wissenschaft, mit diesem Gebäude zur Erforschung der nachhaltigen Bewirtschaftung von Meeresressourcen beizutragen. Das Gebäude soll dank innovativer Technik, intelligenter Lösungen und dem Einsatz nachhaltiger Materialien zeigen, wie sich Architektur in ein Ökosystem einpassen kann, die Natur nicht zerstört, sondern ihr sogar neue Möglichkeiten eröffnet werden.

Das international bekannte norwegische Architektur- und Designbüro Snøhetta hat das Under entworfen. Snøhetta ist ein wichtiger Partner in der Powerhouse-Allianz, einem Zusammenschluss norwegischer Unternehmen, die energiepositive Gewerbe- und Wohngebäude entwerfen und bauen. Unter anderem hat Snøhetta das weltweit erste energiepositive Hotel entworfen, das gegenwärtig in der Nähe des Polarkreises gebaut wird.

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Ein elf Meter breites Plexiglasfenster bietet den Gästen einen Panoramablick auf den Meeresboden

Ivar Kvaal

Spitzenarchitektur als neue Heimat für Weichtiere und Seetang

Das Under wurde aus rauem, unbehandeltem Beton gebaut, der sich in die Umgebung einfügt. Die einen halben Meter dicken, konkaven Betonwände müssen der rauen Nordsee widerstehen – tobenden Wellen, starken Gezeitenströmungen und heftigen Temperaturschwankungen. Der Beton harmoniert dazu hervorragend mit der zerklüfteten Küste, auf der die Hälfte des Restaurants ruht.

Das Under hat trotz der Lage im Meer nur begrenzte Auswirkungen auf die Meeresumwelt und schafft an seiner Außenhaut Lebensraum für die hier beheimatete Meeresflora und -fauna. Die raue Betonschale bietet eine einladende Oberfläche für die Ansiedlung von Weichtieren und Seetang, was das Restaurant in ein blühendes künstliches Riff verwandelt.

Beim Bau des Gebäudes unter extremen Bedingungen kamen das Wissen und die Erfahrungen des norwegisch-spanischen Ingenieurbüros Core Marine zum Zuge – einer Spezialfirma für Smart Ocean Solutions. Wie man mit extremen Wetterbedingungen, z.B. beim Eintauchen und Verankern des Restaurants, umgeht, haben die Mitarbeiter des Unternehmens in der norwegischen Öl- und Gasindustrie gelernt. So musste zum Beispiel ein völlig neuer Schiffstyp entwickelt werden, um das Gebäude in Position zu bringen. Die Bauzeit des Under betrug gerade einmal zwei Jahre.

Das Under wird auch genutzt, um Wissenschaftlern einmalige Einblicke in das Leben unter dem Meer zu gewähren und die Meeresforschung voranzutreiben. Ein Team des Norwegischen Instituts für Bioökonomieforschung (NIBIO) hat das Under als permanente Basis bezogen, um die vielfältigen Meereslebewesen direkt vor dem Fenster des Restaurants zu untersuchen.

Das gesamte Gebäude ist mit Sensoren und Überwachungstechnologie ausgestattet, die ein einzigartiges und genaues Bild des Meereslebens in diesem Bereich des Nordatlantiks liefern. Die Forscher interessieren sich besonders dafür, wie die Fische in der Umgebung auf Audiosignale reagieren. Die Ergebnisse sollen für die Weiterentwicklung der Fischzucht, vor allem der Aquakultur, im Meer genutzt werden.

Der direkte Kontakt zum Leben im Meer hat sich für die Wissenschaftler schon ausgezahlt. Kürzlich hat das NIBIO-Team eine Quallenart in der Nachbarschaft des Under entdeckt, die in der Region noch nie zuvor beobachtet wurde.

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Das Restaurant wurde unter extremen Witterungsbedingungen gebaut.

Ivar Kvaal

Nachhaltigkeit auf der Speisekarte

Der Küchenchef des Under ist der renommierte dänische Küchenchef Nicolai Ellitsgaard. Er konzentriert sich auf hyperlokales Essen: Alles, was auf den Teller kommt, wird innerhalb von wenigen Kilometern – und manchmal auch nur innerhalb von wenigen Metern – von den Mitarbeitern des Restaurants selbst gefangen oder gesammelt. Die Köchinnen und Köche arbeiten eng mit den Meeresbiologen zusammen, um den idealen Zeitpunkt für die Ernte von Lebensmitteln im Meer zu ermitteln, so dass das lokale Ökosystem nicht beeinträchtigt wird.

Das Menü ist mit ungewöhnlichen gastronomischen Köstlichkeiten gefüllt: Nordische Steinkrabbe, norwegischer Hummer, Lengkopf, eine Vielzahl von Fischrogen und eine Fülle von Algen. Oft handelt es sich um Fischarten und Meerestiere, die noch nie auf einem Fischmarkt aufgetaucht sind. Viele der Gerichte basieren sogar auf Zutaten, die Fischer eher über Bord werfen.

Aber auch bei der Zusammenstellung des Menüs geht es nicht nur darum, die Geschmacksknospen der Kenner mit innovativen Gerichten zu verwöhnen. Da die Weltbevölkerung schnell wächst, besteht eine der dringendsten Herausforderungen darin, alle Menschen auf umweltverträgliche Weise zu ernähren.

Mit einem besseren Meeresmanagement wird es möglich sein, mehr als das Sechsfache der heutigen Produktion an Meeresfrüchten zu erreichen, prognostiziert ein Bericht der Expertengruppe des Hochrangigen Gremiums für eine nachhaltige Meereswirtschaft (The Ocean Panel), der im November 2019 auf der UN-Konferenz zu nachhaltige Fischerei in Rom vorgestellt wurde.

Wenn zukünftige Generationen die Vorteile von Nahrungsmitteln aus dem Meer nutzen wollen, müssen alle Arten von Meeresressourcen genutzt werden, nicht nur die traditionellen. Wenn das Under also Delikatessen auf der Basis von Rohstoffen serviert, die oft als Abfall entsorgt werden, ist dies eine wichtige Erinnerung daran, dass reichlich Lebensmittel gefunden werden können - solange man am richtigen Ort sucht.

Lesen Sie, wie norwegische Technologie nachhaltige Aquakultur fördert.

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Auf der Speisekarte stehen ausschließlich regionale Gerichte

Stian Broc